Am 20. Oktober überreichte Mario Adorf im Lesezelt der Frankfurter Buchmesse an fünf Autorinnen und Autoren sowie drei Schüler acht Frankfurter Orthographie-Preise (1. Preis. 7.000 €, 2. Preis: 4.000 €, 3. Preise: je 3.000 €, Schülerpreise: je 700 €):
Hans Krieger, München: Reformdummheit
Elias Hirschl, Wien: Von Missständen und Mißständen
Hans Kruppa, Bremen: Nur über meine Leiche – Ein Chat
Christina Müller, Weimar: Brief an einen Unreformierten
Alva Sokopp, Wien: Rechtschreibung aus der Sicht einer Achtjährigen
Jakob Reitinger, Weilheim i. OB: Gedanken eines Schülers
Hannah Greven und Peter Kerpen, Daun in der Eifel, für ihr Nachwort nach Worten zur Orthographie (auf S. 33 unserer Anthologie zu 20 Jahren Rechtschreibreform)
Hier noch das Einladungsfaltblatt zur Preisverleihung mit näheren Angaben zu den Preisträgerinnen und Preisträgern sowie zu den Mitgliedern der Jury
Reformdummheit
Dummheit im Verbund mit Macht
hat noch stets Verdruß gebracht.
Rüstet sie zur Schreibreform,
pfuscht und schadet sie enorm.
Weggesäbelt wird Bewährtes
und ersetzt durch Grundverkehrtes.
Nur weil sich was ändern muß,
endet mit SS der Kuß,
und das arme Känguru(h)
findet nirgends seine Ruh,
denn man hat – wie abgeschmackt! –
schnöd sein ‚h‘ ihm weggezwackt.
Umreformt wird permanent,
bis die Klarheit ausgetrieben.
Was wird groß, was klein geschrieben,
was zusammen, was getrennt?
Nichts ist mehr gewiß, und selten
weiß man, welche Regeln gelten.
Macht »seit Langem« (groß!) denn Sinn?
Substantiv steckt keines drin.
Gibt es für die Trennung »kleins-
te« ein Argument? Nein, keins.
Willkürnorm wird oktroyiert,
die das Sprachgefühl kastriert.
Das trifft mehr als nur die Schreibung:
Wörter starben, die wir kannten,
andre sind nur noch Varianten –
die Reform ist Sprachentleibung.
Auch wenn das nur Schaden bringt,
ist man stolz, daß es gelingt,
denn man fühlt sich ja so gern
mehr als andere modern.
Die Reformer, selbst-ernannt –
wohl bekannt? Nein, wohlbekannt –,
prahlen auf dem Trümmerhaufen:
»Ist doch wunderbar gelaufen.«
Manche Blattlaus wär halt bloß
gerne elefantengroß.
Gegen Dummheit wächst kein Kraut
außer: daß man ihr mißtraut
und, wenn sie der Staat diktiert,
nicht mit Schafsgeduld pariert.
Hans Krieger, München
Von Missständen und Mißständen
Die Einheitlichkeit der Sprache ist wichtig, da es sonst zu Missverständnissen kommen kann, die selbst Miss Versteht missversteht. Um diese Missstände oder Mißstände aufzuklären, muss man sie aber erst einmal sichtbar machen:
Beispielsweise weiß man oft nicht, ob man auf einer Schiffahrt oder einer Schifffahrt nun fantastische Fotos von Delfinen fotografieren oder phantastische Photos von Delphinen photographieren soll.
Daß das schwierig ist, kann man sich denken. Und auch, daß das daß schwierig ist, kann man sich denken, denn es ist offenbar noch nicht allen bewusst, daß das dass das daß abgelöst hat, sodass das daß nun das dass ist.
Und auch, dass die sehr seeerfahrenen Seeelefanten bei der Schwimmmeisterschaft ohne Sauerstoffflasche im Schritttempo durch die Flusssenken und Seeengen wettturnen, war bisher nicht allen klar.
Dennoch wird dennoch noch nicht dennnoch geschrieben, denn noch wird dennoch noch dennoch geschrieben.
Ja, heute schreibt man anders als gestern und Häute schreibt man anders als heute. Vorgestern war vor gestern und heute ist nicht morgen, selbst wenn es heute Morgen ist, wo die letzten Reste der rauen Rauhnächte reif zum Raureifregen sind. Und heute bleibt heute, auch wenn ich die Beute heute häute. Und wenn ich die Beute heute auf Bäumen häute, sieht man die Beute sich auf Bäumen aufbäumen.
Da kann man nun mal das Ausbleiben von Missverständnissen weder gewährleisten noch Gewähr leisten, selbst wenn man sich ein Gewehr leisten kann. Es ist genauso schwer, wie beim Maßhalten Maß zu halten, denn wenn man erst einmal ein Maß hält, hält man schnell das zweite Maß und das dritte, bis man sie nicht mehr zusammenrechnen kann.
Denn auch das Rechnen wird erschwert. Denn zwei mal drei ist nicht zweimal drei oder Zwei mal Drei oder 2 x 3, sondern 6. Und einmal Sex ist nicht 1 mal 6. Und das erste Mal ist nicht das Erste Mal und das letzte Mal ist nicht das letzte Mahl. Von Mal zu Mal zu Mahl zu Mahl bleiben aber sogar mit einheitlicher Rechtschreibung manche Dinge unklar. Etwa wenn der Fußballer mit seinen Stollen in einen Stollen geht, um dort einen Stollen zu essen.
Und darum möchte ich Euch oder euch, den Rechtschreibreformatoren, dafür Dank sagen oder danksagen, dass oder daß ihr oder Ihr so gut auf die Sprache Acht gebt oder achtgebt und klarstellt oder klar stellt, wann die Leute recht schreiben, rechtschreiben oder Recht schreiben.
Ich verbleibe bis auf weiteres oder bis auf Weiteres in Hochachtung
Euer oder euer
Elias
Elias Hirschl, Wien
Nur über meine Leiche – Ein Chat
AR: Hallo, Neue Rechtschreibung! Bist du da?
NR: Na sowas, die Alte Rechtschreibung! Dich gibt’s also immer noch?
AR: Totgesagte leben länger.
NR: Was liegt an?
AR: Wie bist du bloß auf die haarsträubende Idee gekommen, mich abschaffen zu wollen?
NR: Das hab ich dir doch schon beim letzten Chat gesagt: Um dich zu vereinfachen! Damit Schüler weniger Fehler beim Schreiben machen. Außerdem: Fortschritt muß sein!
AR: Nennst du das Fortschritt, »Schiffahrt« mit dreifachem »f« zu schreiben?
NR: Natürlich. Es ist eine logische Verbesserung.
AR: Es ist ein eklatanter Mangel an Sprachgefühl.
NR: Das Gefühl kann täuschen. Logik ist verlässlich.
AR: Kritikresistent bist du also auch! Unsensibel und widersprüchlich hätte doch schon gereicht.
NR: Wieso unsensibel und widersprüchlich?
AR: Weil es beispielsweise unsensibel ist, dem Wort »rauh« das »h« zu nehmen,
und widersprüchlich, dem Wort »roh« das »h« zu lassen.
NR: Es war mir klar, dass ich mit dir nicht fair diskutieren kann, du Ewiggestrige!
AR: Ich bin ziemlich fair, wenn man bedenkt, wie rauh und roh du mich verschlimmbessert hast. Übrigens ohne den geringsten Grund und gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Was hat dir eigentlich an mir nicht gefallen?
NR: Du bist zu schwierig. Und du bist zu alt.
AR: Und du bist nicht nur sinnlos, du bist auch arrogant! Am besten, du gehst wieder!
NR: Das würde dir so passen! Ich bin gekommen, um zu bleiben! Du bist doch nur beleidigt, weil ich dich abgeschafft habe. Wie lange willst du dich noch gegen den Fortschritt stemmen?
AR: Du bist kein Fortschritt. Du hast nur heillose Verwirrung gestiftet und dich letztlich als Versagerin erwiesen.
NR: Als Versagerin? Inwiefern?
AR: Du wolltest die Schriftsprache vereinfachen. Das war deine Existenzbegründung. Nun hat sich aber herausgestellt, daß Schüler fast doppelt so viele Fehler bei Diktaten und Aufsätzen machen, als es zu meiner Zeit der Fall war.
NR: Wer sagt das?
AR: Die neue Studie eines Bildungsforschers …
NR: ... der wohl einer deiner aussterbenden Fans ist.
AR: Zynisch bist du auch noch! Du bist wirklich ein buchstäblicher Mißstand!
NR: Ich ein Missstand? Übertreibst du da nicht maßlos?
AR: Nicht wirklich. Wenn ich dich sehe, wird mir blümerant.
NR: Dein Problem, du sture Nostalgikerin!
AR: Das Neue ist nicht immer das Bessere. Vielleicht werden die Menschen eines schönen Tages zu mir zurückkehren.
NR: Nur über meine Leiche!
AR: Damit kann ich leben.
Hans Kruppa, Bremen
Brief an einen Unreformierten
Uwe Meerwerth, Meerwerth Verlag Frankfurt, im März 1997
Dear John,
vielen Dank für deinen Brief. Nein, mein Respekt für dich hat nicht nachgelassen, nur weil ich dich nicht mehr in Großbuchstaben anrede. deine Deine Bedenken angesichts der längst überfälligen Rechtschreibreform kann ich zerstreuen.
Lieber John, De deine Worte »ich bin mir nicht ganz sicher, daß diese etwas unhandlichen Regeln unter der Bevölkerung Anklang finden« verstehe ich als ein Stück englischer Ironie, das bei einem Gelage in einer eurer Teeecken aus einem Teeei geschlüpft ist. Natürlich werden diese Regeln Anklang finden! Schnell wird es allen Allen einleuchten, daß dass jetzt alles viel einfacher ist. Sicherlich haben manche Man ma einige Leute Anfangs anfangs Schwierigkeiten, aber man muss ja einfach nur der Logik folgen (das liegt uns nun ein Mal einmal im Blut), und man kann sich Wörter von ihren Verwandten herleiten. Wortfamilien bestimmen die Schreibung. Deshalb heißt es jetzt z.B. auch »überschwänglich«, denn es kommt von »Überschwang«. Nicht etwa von »schwingen«. Da kommt »Schwengel« her. Ein wenig nachdenken muss man schon.
Auch unsere Schwierigkeiten mit der Getrennt- und Zusammen schrei Zusammenschreibung sind jetzt vorbei. Es ist genau geregelt, wann etwas zusammengeschr zusammen geschrieben wird und wann nicht. Die Regel ist ganz einfach. Wörter werden getrennt geschrieben. Mit ein paar Ausnahmen. Hat man diese Regeln erst ein Mal einmal kennenge kennen gelernt, ist es viel leichter, sich in der Rechtschreibung zurechtzufin zu Recht zu nicht zu verlaufen.
Dein Gedanke, eine Rechtschreibreform müsse sich von unten her durchsetzen und nicht durch Paragrap Pharagraf Gesetze aufgesätzt aufgesetzt werden, ist vielleicht nicht zuende zu Ende gedacht. Exakte Bestimmungen sind gerade in der Ortho Ortografie Ortographie Ohr Rechtschreibung wichtig.
Vielleicht kann dich die neue Rechtschreibserie meines Verlages von deinen Zweifeln befreien, ich schicke dir ein Probeexemplar mit.
Ich hoffe, dir und deiner Familie geht es gut; bei mir steht alles zum bes
Besten. Das Geschäft hat in den letzten Monaten einen enormen Aufschwung genommen. Obwohl in diesen schweren Zeiten andere Verlage Bankrott bankrott sind, ist die greuliche gräuliche Gefahr bankrott Bankrott zu gehen in weite Ferne gerückt.
Lieber John, solch eine Reform wäre auch eurer alt ehrwürdi alten Sprache dringend nahezulegen nahe zu le zu empfehlen. In diesem Sinne und mit dem Rat: Catch up with us (Ketschup mit uns) grüsst grüßt herzlich
Dein dein De
Uwe
Christina Müller, Weimar
Die Originalschreibung dieses Beitrags ist in dem obigen Text leider nicht zu sehen. Hier ist sie!
Rechtschreibung aus der Sicht einer Achtjährigen
»Mama? Wohnen wir in der Nußwaldgasse mit ›ß‹ oder mit ›ss‹? Denn bei den Briefen, die wir zugestellt kriegen, steht es einmal so und einmal so.«
»Schatz, ich glaube, korrekt müsste es Nusswaldgasse mit zwei ›s‹ heißen, aber möglicherweise ist es in dem Fall nicht so schlimm, wenn man es anders schreibt.«
»Warum?«
»Hmm, ich habe in der Schule noch gelernt, dass am Ende eines Wortes nie ein doppeltes ›s‹ stehen darf. Darum schrieb man die Nuss mit ›ß‹. Seit der Rechtschreibreform schreibt man nach lang ausgesprochenen Vokalen immer ›ß‹ wie beim Wort ›Fuß‹ und bei kurz gesprochenen Wörtern ›ss‹ wie zum Beispiel beim Wort ›Kuss‹.«
»Ja, aber warum schreiben dann viele die Nusswaldgasse noch so wie früher?«
»Ich denke, weil ‚Nußwaldgasse‘ einfach ihr Name war, darum glauben einige vielleicht, dass hier die Rechtschreibreform nicht gilt.«
»Aber es ist eigentlich falsch.«
»Ja.«
»Und warum hat man bei dieser Schreibreform nicht gleich gesagt, dass es nur noch ›s‹ gibt und das ›ß‹ wegfällt? Du hast mir doch einmal erklärt, das wurde gemacht, um die Sprache zu vereinfachen.«
»Das weiß ich eigentlich auch nicht.«
»Ist sowas mit vielen Wörtern passiert?«
»Dass man sie jetzt anders schreibt? Ja und nein. Denn bei ganz vielen gelten jetzt einfach beide Formen.«
»Mich verwirrt das.«
»Mich auch, aber du lernst es ja in der Schule, wie man alles richtig schreibt.«
»Hmmm, das hast du damals aber auch. Und wenn ich groß bin, ändern sie die Schreibweise einfach um, und es stimmt wieder nichts mehr.«
»Auch daran gewöhnt man sich. Oder man schaut eben im Duden nach.«
Mädchen nickt und geht ins Zimmer. Dort schreibt sie ihrem Vater eine Nachricht, auf der sie ihn bittet, die selbstgebackenen Schokokugeln im Kühlschrank für uns vier Frauen stehenzulassen und nicht aufzuessen:
Forsicht Fraun eigentum! wen eine felt die Kugeln sind gezelt!
Krigst du erger von den Frauen! Eigen tum von den Frauen!
Auf meine Anmerkung, dass auf dieser Notiz aber sehr viele Fehler stehen und ob ich sie ihr korrigieren soll, meint das Kind:
»Nein, lass gut sein. Irgendwann stimmt es ja dann eh wieder, wie ich es geschrieben habe. Wir warten einfach ab.«
Alva Sokopp, Wien
Gedanken eines Schülers
Rechtschreibung? Ist unwichtig, spielt für uns keine Rolle, so heißt es bei vielen in meiner Generation. Und ich gebe gleich mal zu, dass ich in Sachen Rechtschreibung und Grammatik selber kein Held bin … Es wird so viel in sozialen Netzwerken geschrieben, aber auf Satzzeichen oder Groß- und Kleinschreibung wird in den seltensten Fällen geachtet, dabei nehme ich mich nicht aus. Nun stellt sich die Frage: Warum dieses Phänomen? Wird in der Schule zu wenig auf die Rechtschreibung geachtet? Vielleicht. Es gibt Lehrer, die sagen: »Solange ich verstehe, was du meinst, und ich die Wörter halbwegs entziffern kann, gibt es bei Rechtschreibfehlern in Tests keinen Punktabzug« – also für Falschgeschriebenes, Falschgetrenntes oder falsche Grammatik. Als Schüler ist einem das durchaus recht (mir selber natürlich auch), und man denkt sich: »Ach, egal… Solange es keinen Punktabzug gibt, ist ja alles gut!« Weshalb sollte man sich zuhause dann auf den Hintern setzen und die wertvolle Zeit damit verschwenden, sich seiner Muttersprache zu widmen?
Andererseits: Ist es vielleicht nicht doch wichtig, korrekt schreiben zu können? Und hat man da nicht auch Verantwortung für die nächsten Generationen? Wenn meiner Generation die Rechtschreibung nicht mehr viel bedeutet und wir uns voll und ganz auf das Rechtschreibprogramm am Computer verlassen, wird dann mit der Zeit alles noch schlechter? Was machen die zukünftigen jungen Leute, wenn sich die dann Älteren (also wir) schon nicht mehr mit der Rechtschreibung auskennen? Lernen sie es vielleicht gar nicht mehr? Doch Sprache und Schreibweise sind ein großer Teil menschlicher Kommunikation. Wenn immer weniger Menschen richtig schreiben können, führt das dann eine Gesellschaft ans Ende? Oder braucht man irgendwann eh keine Sprache mehr? Ich weiß es nicht.
Die Rechtschreibreform scheint mir und uns allen das Schreiben nicht einfacher gemacht zu haben. Wenn es zum Beispiel drei Schreibweisen für ein Wort gibt oder unterschiedliche Variationen der Silbentrennung, verliert man den Überblick – und irgendwann die Lust, sich mit den Regeln zu beschäftigen. Die Rechtschreibreform brachte also zum Teil noch mehr Verwirrung.
Liebe Lehrer, liebe Bildungsfachleute und Minister, können wir es uns leisten, unserer eigenen Sprache noch fremder zu werden, als wir es sowieso schon sind?
Jakob Reitinger, Weilheim i. OB
Ein Nachwort nach Worten zur Orthographie
Es heißt ein Photon, aber der Fotoeffekt. Selbst unser Physiklehrer ist unschlüssig. »Schriebe ich der Logik halber Photoeffekt, so würden Sie beim Nachschlagen im Buch nichts darunter finden.” Das bringt uns zum Schmunzeln. Die ganzen Sommerferien haben wir uns nun mit dem Thema Rechtschreibreform beschäftigt, doch auch wenn die Schule wieder angefangen hat, lässt uns das Thema nicht los. Zuvor beschäftigte uns das Rechtschreiben auch schon: Für Chefredakteure einer Schülerzeitung ist bei jedem Text Korrekturlesen angesagt. Jedoch reduziert sich das Ganze bei den am PC verfassten Seiten weitestgehend auf die Interpunktion. Rote Kommata füllen das Blatt – Wörter und Grammatik stimmen meistens dank der automatischen Rechtschreibkorrektur. Wäre das doch bei unseren Schülerzeitungsredakteuren auch nur in den Deutscharbeiten so. Allerdings sind sich auch einige Lehrer an mancher Stelle unsicher. Wenn wir Texte in klassischer Schreibung in der Schule lesen, merken wir oft erst nach einem »daß”, dass die zuvor aufgefallenen kleinen »Fehler” keine sind. Besonders kompliziert war es manchmal beim Lesen der Wettbewerbsbeiträge: War das nun klassisch oder reformiert oder aber einfach falsch? Zudem zeigte sich die große Schreibverwirrung: Gab sich der eine oder andere mit der Reform 1996 noch fleißig an das Erlernen der reformierten Schreibung, so resignierten viele doch spätestens nach den Reformen der Reform, die die Änderungen teilweise rückgängig machten. Vielmals betonen die Beiträge die eigene Unsicherheit und den oft unerlässlichen Griff zum Duden. Aber es betrifft nicht nur die Redakteure und Autoren. So ziemlich jeder, der irgendetwas schreibt, sieht sich in einem Meer von »sicher bin ich mir nicht, nicht 100-prozentig” umhertreiben. Gerade da viele der Regeln kontraintuitiv wirken, ja fast beliebig. Wir zwei ahnungslosen Postreform-Kinder der Spätneunziger erfuhren in den Beiträgen aber auch immer mehr die vermeidlichen Gründe dafür: Politik und Wirtschaft trieben die Reform entgegen der Meinung und dem Willen von Autoren und Verlagen voran – und profitierten.
Heute schreiben wir eigentlich, wie es uns logisch erscheint, zwar weitgehend reformiert, aber da uns das auch manchmal unsinnig vorkommt, am Ende doch nach unserer ganz eigenen Orthographie, eben weil es keine konsequent logische Einheitsschreibung gibt. Unser Rechtschreibprogramm unterstreicht »Einheitsschreibung” übrigens prompt rot. Diese Ironie…
Und dennoch hoffen wir auf sie!
Hannah Greven und Peter Kerpen, Daun in der Eifel